Christian Scharvogel
Christian Scharvogel
  • Grafik / Design
  • Zeichnung
www.christian-scharvogel.de
„Ich bin nur ganz Auge"

Künstlerinformationen

Ich bin - auch aufgrund meines Alters - nicht der Vielbelesene. Kann ich gar nicht sein. Aber ich denke sagen zu können, das ich ein Vielsehender bin. Einer, der ständig mit den Augen wandern geht, kleinste Mikrowelten und große Weltdramen am Straßenrand, in der Gosse, sieht und in sein Hirn graviert. Es geht hier um Form, Farbe und Komposition, die ins grenzenlos ausufernde Farbskala einer absterbenden Begonie, das Farbspiel des schleichenden Todes. Ist das Interessante die leuchtend orangefarbene Blüte oder das abfaulende, im Abfallen begriffene Blatt, das die gesamte Farbpalette zwischen dem Orange der vollen Pracht und dem Dunkelbraun mit in den Tod reißt? Natürlich, unermesslich reich und verschwenderisch bis ins kleinste Detail. Aber auch um die Körperlichkeit der Dahinsiechenden mit den Schattierungen, den erdenen, schweren Tönen, die - gleich dem Bass in der Musik - die Basis, das Fundament bilden vor denen sich, zart oder aufbäumend knallig, eine feine Melodie, ein Potpourri der Farbnuancen sich entfaltet. Diese unwirklichen Naturschauspiele gilt es als sensibilisierter Künstler zu sehen und - je nach Spielart - umzusetzen, in eine günstige Form und Komposition zu betten.

Gleichzeitig geht es um die Ästhetik , die Lehre der Sinnerkenntnis.
Ich muss mich mit der Pflanze (wie mit jedem anderen Gegenstand) auseinandersetzen, sie sezieren, mir wichtige Merkmale herausarbeiten und - auch gegen die Realität - die nötige Aufmerksamkeit zuweisen. 
Dazu ist es notwendig, mich hinein zu vertiefen und zu begreifen was die Pflanze für mich ist und was sie ausdrücken soll. Sie hat die Rechtfertigung zu erbringen, gezeichnet zu werden. Ist es das Miteinander von Leben und Tod, die absolute Schönheit des Sterbens, die Stärke des Organismus in dessen Angesicht oder gleichzeitig der Rückzug, das Sammeln der Lebenskräfte, um bald darauf mit neuer Kraft größer und vielfältiger als davor wieder aufzuerstehen?

Um innere Stärke geht es auch bei den "Bienenlandschaften".Für mich sind sie eine Art Tagebuch meiner Seele. Ruht der Baum in sich selbst, strahlt Macht und Würde aus und kommuniziert gut mit seiner Umgebung so war auch ich zu jener Zeit ruhig und entspannt, habe mich vielleicht in Details verloren und wieder gefunden oder habe den Himmel mit sanftem Blau und warmem Licht gestreichelt.
Oder ist der Baum Angst erregend, greift er unangenehm unruhig, ja schon unbeherrscht, aus dem Bild heraus, um sich Raum zu verschaffen und sein Gegenüber - bildlich gesprochen - zu ängstigen, gar anzugreifen? Unwirtliche Landschaft, sturmzerfetzte Wolkenteile jagen über die obere Bildfläche und biegen Äste, fegen den knorrigen Stamm frei , zeigen Wurzelwerk oder Andeutungen von Skeletten anstelle des natürlichen Astwerks. Diese brechen wie morsche Knochen und Splitter, treiben weiter, aus dem Bild hinaus. Vielleicht will und soll der Baum gar nicht gefallen, sondern - sein Revier absteckend - Macht und Stärke präsentieren, um von seiner inneren Schwäche, seiner Morbidität , abzulenken.